Seit dem Sommer gibt es in der Mainzer Altstadt einen ganz besonderen Zebrastreifen. Er strahlt in rot, orange, gelb, grün, blau und lila. Den Regenbogenfarben. Genau genommen ist er auch gar kein echter Zebrastreifen. Zebrastreifen im Straßenverkehr dürfen nicht bunt sein. Dieser liegt in einer Fußgängerzone und die Regenbogenfarben stehen als allgemeines Zeichen für Vielfalt und Offenheit. Der bunte Zebrastreifen also als ständig sichtbarer Appell für Offenheit und Toleranz gegenüber den queeren Menschen in der Stadt.
Vor kurzem allerdings hat ein Unbekannter diesen bunten Zebrastreifen mit Farbe beschmiert. Der Hintergrund ist unklar, doch überraschend kam das nicht. Denn Anfeindungen und Hass gegen queere Menschen gibt es überall. Und Anfeindungen, wie diese Menschen sie erleben, stehen ja beispielhaft für andere gesellschaftliche Streitthemen, die auch auf unseren Straßen ausgetragen werden. Pro-Palästina oder Pro-Israel etwa. Für die militärische Unterstützung der Ukraine oder dagegen. Die Liste ist lang, die Frontstellungen oft aggressiv und unversöhnlich.
Ich frage mich inzwischen immer öfter, warum das so sein muss. Warum es für manche offenbar nur schwarz oder weiß gibt, rechts oder links, oben oder unten. EINE Antwort könnte sein: Weil es einfach bequem ist. Weil es mir mühsames Nachdenken und Differenzieren erspart und ich meinen eigenen Standpunkt nicht infrage stellen muss. Eine andere Antwort wäre: Die meisten von uns möchte gerne auf der vermeintlich "richtigen" Seite stehen. Oft unabhängig davon, wo die ist. Da geht‘s ums eigene Selbstverständnis. Darum, mich moralisch überlegen fühlen zu können. Zu denen zu gehören, die es geblickt haben. Kritische Einwände oder Gegenargumente stören da nur. Und statt Fragen und Zweifel zuzulassen, Argumente auszutauschen, um eine differenzierte Position zu ringen, wird der oder die Andere niedergebrüllt. Menschen, die sich damit nicht abfinden wollen, die auch auf Zwischentöne Wert legen, verstummen irgendwann.
Dabei muss ich ja nur die Augen öffnen, um zu merken, dass reines Schwarz oder reines Weiß in der Welt kaum vorkommt. Meistens liegt es irgendwo dazwischen, als einer von unzähligen Grautönen. Mehr noch: Diese Welt ist unendlich bunt. Mehr als 16 Millionen Farbnuancen kann schon mein Computer darstellen und das ist nur ein Teil der Farbtöne, die es in der Welt tatsächlich gibt. Als Christ bin ich überzeugt davon, dass Gott diese Welt genau so gewollt hat. So grenzenlos bunt und vielfältig wie sie tatsächlich ist. Und mit unendlich vielen Nuancen und Zwischentönen.