Seine Geschichte ging vor ein paar Wochen durch zahlreiche Medien. Luciano Fregonese, schwergewichtiger Bürgermeister im kleinen Prosecco-Städtchen Valdobbiadene, nördlich von Venedig. Sagenhafte 50 Kilo hatte der Mann im Laufe seiner zehnjährigen Amtszeit zugenommen. Die wollte er nun wieder runterbekommen, und zwar durch tägliches Spazierengehen. Um das aber durchzuhalten, und damit der innere Schweinehund nicht doch am Ende die Oberhand gewinnt, hat er die Menschen seiner Gemeinde eingeladen, mit ihm zu laufen. Zunächst waren es nur Wenige, die mitgehen wollten. Inzwischen aber begleiten ihn schonmal 200 Leute auf seiner täglichen Strecke. Bürgersprechstunde auf dem Weg inklusive.
Warum das eine Meldung war? Wahrscheinlich weil es so ungewöhnlich erscheint. Dabei bestätigt die kleine Geschichte eigentlich nur, was schon lange bekannt ist. Dass sich auch gewichtige Probleme deutlich leichter bewältigen lassen, wenn sich nicht jede und jeder allein daran versucht. Wenn Menschen gemeinsam etwas anpacken, sich dabei gegenseitig unterstützen und bestärken, anstatt sich argwöhnisch von anderen abzugrenzen. Und: Weil am Ende nicht nur einer was davon hat, sondern viele gewinnen.
Interessant finde ich, dass es auch in der Entwicklungsgeschichte des Menschen offenbar nicht zuerst eine moralische Frage war, sich sozial zu verhalten. Unsere frühen Vorfahren hatten einfach einen Vorteil, wenn sie sich umeinander gekümmert, Lasten untereinander verteilt haben. Wenn etwa Naturkatastrophen über eine Gemeinschaft hereingebrochen sind, dann ließen sie sich einfach besser überstehen, wenn man sich gegenseitig geholfen hat. Der Ruf nach Nächstenliebe und sozialem Verhalten ist also nicht nur eine spätere religiöse Zugabe. Es scheint tief in unseren Genen zu stecken. Ebenso freilich wie der Hang zu Egoismus und Selbstsucht auf der anderen Seite.
Auf den Nächsten zu achten, sich ihm zuzuwenden. Einem Menschen also die Hand zu reichen, wenn dieser Hilfe braucht, das haben Judentum, Christentum und Islam sogar als ausdrücklichen Willen Gottes ausgemacht. Das doppelte Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe gilt im christlichen Glauben nicht umsonst als das höchste und wichtigste. Ein Gebot, das hilft menschlich miteinander zu leben und letztlich wohl auch zu überleben.
Am Ende ist es aber nebensächlich, aus welchem inneren Antrieb mir ein anderer seine Hand hilfreich entgegenstreckt. Als glaubender Mensch kann ich in jeder helfenden Tat, in jedem aufmunternden Wort eine Spur jener Idee entdecken, die Gott mit seiner Schöpfung verfolgt hat.