"Ihr sollt trampeln wie Bartali, um ins Himmelreich zu kommen." So predigte Papst Pius in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Italienern. Und zu dieser Zeit weiß jeder in Italien, wen der Papst meint: Gino Bartali, mehrfacher Sieger der Tour de France und des Giro de Italia. Aber Pius geht es mitnichten darum, alle Italiener zu einem frommen Fitnessprogramm aufs Fahrrad zu bekommen. Ihm geht es um eine ganz besondere Form christlicher Nächstenliebe, die sich selbst aufs Spiel setzt und für andere in Gefahr bringt. Genau dafür steht Gino Bartali nämlich auch.
Im Herbst 1943 erhält der Radprofi spätabends einen rätselhaften Anruf vom Erzbischof von Florenz, der ihn um Hilfe und eine Verabredung bittet. Es herrscht Krieg in der Welt und in Italien. Die deutsche Wehrmacht hat Mittel- und Norditalien nach dem Sturz Mussolinis besetzt und beginnt sofort, die italienischen Juden zu verfolgen und in Konzentrationslager zu verschleppen. Um Menschen zu retten braucht es Papiere, also Ausweise, Visa, Passierscheine für eine neue nichtjüdische Identität. Mit diesen konnte man ins freie Süditalien oder ins Ausland gelangen. Und genau deshalb die Verabredung mit Erzbischof Kardinal Costa, einem der Köpfe des katholischen Widerstandes.
Diese Verabredung rettet mindestens 800 Juden das Leben. Denn Bartali schwingt sich danach Tag für Tag wie gewohnt aufs Rad und trainiert. Er radelt täglich hunderte Kilometer durchs Land. Niemand ahnt: Im Fahrradrahmen sind rettende Papiere eingerollt und gut versteckt, die der Erzbischof besorgt hat. Bartali weiß: Wird er dabei erwischt, wird er erschossen. Aber er vertraut auf Gott und auch auf seine Popularität. In seinem Haus versteckt er eine jüdische Familie und bringt Flüchtlinge auf Schleichwegen über die Grenze. Mehrmals gibt es brenzlige Situationen, einmal wird er für drei Tage festgenommen. Der Vorwurf „Waffenschmuggel“. Beweise gibt es keine und so kommt der auch bei den Deutschen berühmte Radsportler wieder frei – und radelt weiter.
Hunderte Menschen verdanken Bartali ihre Rettung vor Deportation und Ermordung. Doch nach dem Krieg verliert er kein Wort darüber. "Gewisse Medaillen heftet man sich nicht an die Jacke, sondern an die Seele“, sagt er. Andere dagegen schon, nach dem Krieg gewinnt er den Giro d ‘Italia und die „Tour de France“.
2018 startet ihm zu Ehren der „Giro“ in Jerusalem. Für mich passt die Geschichte in den Advent. Es sind Menschen wie Gino Bartali, die die Verheißungen der Bibel mit Leben füllen. Hier das biblische Wort des Propheten Jesaja: „Das Volk, das im Dunkeln wandelt, sieht ein großes Licht“.
Ein starkes Bild der Hoffnung in finsteren Zeiten. Bei Gino Bartali gewinnt der Begriff „Star“, der berühmten Künstlern und SportlerInnen oft angeheftet wird, eine neue Dimension. Denn es sind oft Menschen, die durch ihr Tun Licht in die Finsternis bringen.