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Engelmoden kommen und gehen

Wort zum Tage, 22.12.2023

Joachim Opahle, Berlin

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Im großen Buchladen am Bahnhof gibt es unfassbar viele Zeitschriften - mehr als tausend verschiedene Titel. Für garantiert alle Hobbys und Interessenlagen, die man sich vorstellen kann: für Eisenbahn- Flugzeug- und Oldtimerfans, zum Basteln, Kochen, Segeln, Golf spielen, für Panzer aus dem 2.Weltkrieg, natürlich jede Menge Lifestyle-Magazine, Zeitschriften für Jagd und Wild, für veganen Lebensstil, für Computer- und Fotozubehör, für Bergsteiger, Bauen und Wohnen. Es gibt sogar eine Zeitschrift mit dem Titel "Engel".

Und im Untertitel steht: "Mehr Licht und Freude für dein Leben". Die Illustrierte ist ganz schön dick, kostet mehr als 6 Euro und erscheint alle zwei Monate. Ihre Reportagen handeln vom privaten Glück und vom sorgenfreien Leben. Auch spirituelle Themen werden verhandelt: "Segne dich und dein Leben..." oder "Liebe Feen: Willkommen in meinem Garten". Wer kauft wohl diese Zeitschrift?

Engel sind ja die ersten Zeugen der Geburt Jesu auf den Feldern von Bethlehem. Viel wird über sie nicht gesagt. Außer dass sie singen und "fürchtet euch nicht" sagen. Alles, was wir uns heute so unter Engeln vorstellen, hat sich erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelt. Anfangs sind es ja meist Jünglinge. Gestalten in liturgischen Gewändern. Flügel kommen erst später hinzu.

Im 15.Jahrhundert werden die Himmelsboten dann eher weiblich, vielleicht wegen ihres kleidähnlichen Gewandes. Das ist auch die Zeit, in der man den Engeln eine Portion Erotik verpasst. So als wären sie Göttinnen der Fruchtbarkeit. In der Barockzeit kommen dann noch jede Menge kleine pausbäckige Engelskinder hinzu.

Schließlich, im 19.Jahrhundert, werden Engel zu ernsthaften, diskreten Begleitern der Kinder: der Schutzengel wird populär. Das 21. Jahrhundert hat nach meiner Beobachtung noch keinen anerkannten Engel-Style entwickelt. Kommt vielleicht noch.

Was lehrt uns das? Engelmoden kommen und gehen, was bleibt ist ihre Botschaft: die ist fast immer beunruhigend, weil sie von dem ganz Anderen handelt. Von etwas, das jenseits unserer alltäglichen Realität liegt, wonach wir aber gerne Ausschau halten, nicht nur zur Weihnachtszeit: nach dem Himmel – und dem, was wohl hinter dem Himmel sein könnte.

Über den Autor Joachim Opahle

Joachim Opahle, geboren 1956, ist verheiratet und hat drei Kinder. Er studierte in Freiburg im Breisgau, in Wien, Tübingen und Bamberg Katholische Theologie und Kommunikationswissenschaften. Seit 1993 ist er im Erzbistum Berlin tätig als Leiter der kirchlichen Hörfunk- und Fernseharbeit.

Kontakt: rundfunk@erzbistumberlin.de und www.erzbistumberlin.de