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Lebensfreude

Wort zum Tage, 23.09.2024

Xenia Frenkel, Berlin

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Vor ein paar Wochen, als die Welt wieder mal mit einer Schreckensnachricht konfrontiert wurde, rief mich meine 23-jährige Enkelin an und platzte heraus: "Ich muss dir was sagen."

Ich zuckte erstmal zusammen, aber in diesem Fall war meine Sorge unbegründet. Das Kind ist bis über beide Ohren verliebt. Alles noch ganz frisch, "aber es ist so schön, er ist total nett", sprudelte aus ihr heraus. Dann hielt sie plötzlich inne und sagte ganz ernst: "Es ist alles so schrecklich, und da komm ich mit sowas."

"Sowas", das sind zwei verliebte Menschenkinder. Das Schönste, was es gibt. Und wie traurig, dass meine Enkelin meint, sie dürfe in diesen nicht ganz so hellen Zeiten nicht einfach nur glücklich und verliebt sein.

Die Frage, ob man sich noch unbeschwert freuen darf, wenn andernorts Menschen leiden, treibt derzeit viele um. Dabei wissen wir eigentlich die Antwort: Es hilft niemandem, wenn wir alle in Schockstarre verfallen und uns verbieten, unbeschwert und fröhlich zu sein. Ich fürchte, das trägt nur zur allgemeinen Verzweiflung und Ratlosigkeit bei.

Schlimm genug, dass global gesehen seit Jahren ein deutlicher und konstanter Anstieg von Ängsten und Sorgen zu verzeichnen ist. Vor allem bei der jungen Generation. Dem müssen wir dringend etwas entgegensetzen, finde ich.

In Krisenzeiten darf nicht gelacht werden? Das wäre doch gelacht. Lachen, das wissen wir unter anderem aus Charlie Chaplins Film "Der große Diktator", ist das beste Mittel, um finstere Gesellen der Lächerlichkeit preiszugeben und die Angst vor solchen Figuren in Schach zu halten.

Wir dürfen nicht nur, wir müssen unser Leben weiterleben und dazu gehört, sich zu verlieben, Spaß zu haben, mit Freunden zu kochen, tanzen zu gehen, mit den Kollegen in der Kantine zu blödeln. Lebensfreude ist mit das Wertvollste, das wir haben. Sie ist nicht allein eine unglaubliche Ressource für die eigene seelische Gesundheit,- sie ist auch ansteckend und verbindet uns weit mehr mit unseren Nächsten und Übernächsten als Schwarzmalerei.

Lebensfreude meint für mich eine Haltung, die Zuversicht und Hoffnung ausstrahlt, ohne sich dem Leid, dem Schweren und Ungelösten zu verschließen. Am Ende, davon bin ich überzeugt, ist sie es, die uns befähigt, bei Katastrophen jeder Art beherzt mit anzupacken und anderen das Leben wenigstens ein bisschen leichter zu machen.

Über die Autorin Xenia Frenkel

Xenia Frenkel hat Philosophie und Literaturwissenschaft studiert und ist als freie Journalistin und Sachbuchautorin für Print und Hörfunk tätig. Schwerpunkte sind Glaube und Spiritualität, Psychologie, Gesellschaft und Literatur, Hirnforschung, Bildung und Erziehung. Ihre Beiträge erscheinen u.a. regelmäßig in "Leben jetzt", dem Monatsmagazin der Steyler Missionare. Xenia Frenkel hat Philosophie und Literaturwissenschaft studiert und lebt in Berlin. Sie hat vier erwachsene Kinder und aktuell neun Enkelinnen und Enkel.

Kontakt: xfrenkel@t-online.de