1993 – vor 30 Jahren – war vom großen mittelalterlichen Kloster Helfta, das in Sachsen-Anhalt liegt, nicht mehr viel übrig. Lange Zeit ein landwirtschaftliches Gut mit der entsprechenden Nutzung der verbliebenen Räumlichkeiten. Heute ein wunderschön saniertes und modernes Kloster in dem Zisterzienserinnen leben und arbeiten. Das Kloster ist nur ein Beispiel für die Sanierung und Wiederbelebung der an Kirchen und Klöstern überaus reichen Region. Denn vor 30 Jahren wurde in Sachsen-Anhalt die "Straße der Romanik" gegründet. Sie führt entlang der historischen Gebäude. Doch es sind nicht nur die Bauten und Ereignisse gemeint, in denen sich die Geschichte spiegelt.
"Es sind die Menschen, die die Geschichte der Straße der Romanik lebendig halten." So sagt es Reiner Haseloff, der Ministerpräsident des Landes, nicht ohne Grund.
Denn die Straße der Romanik ist eine echte Bürgerbewegung. Natürlich stehen erstmal die Klöster, Burgen und Kirchen im Vordergrund, doch genauso gut gehören die Menschen unverzichtbar dazu, die den Schlüssel zu den Gebäuden haben und den Gästen bereitwillig aufschließen. Es sind oft dieselben, die sich mit großem Einsatz um den Erhalt dieser immer wieder überraschenden Gebäude kümmern; sie mit Gottesdiensten, Konzerten, Lesungen und Ausstellungen lebendig halten. Typisch für das Engagement der Menschen an dieser besonderen Straße ist die Geschichte der Kirche in Pretzien. Die dümpelte schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts über viele Jahre als Ruine vor sich hin und sollte eigentlich abgerissen werden.
Das Ehepaar Meußling, sie Restauratorin, er Pastor, wollte sich damit nicht abfinden. So begann es in den 1970er Jahren, mitten in der Zeit der DDR, diese Kirche wieder aufzubauen. Dabei entdeckte Anna-Maria Meußling Wandmalereien aus den Jahren um 1220 und legte sie akribisch frei.
Die Meußlings konnten daraufhin viele Menschen gewinnen, weit über die Grenzen ihrer Gemeinde hinaus. Jugendliche gestalteten sommerliche Baulager, Handwerker boten ihre Hilfe an, genauso wie Leute, die aus völlig anderen Berufen kamen. Alt und Jung packten mit an, ob sie zur Kirche gehörten oder nicht.
Der katholische Pfarrer besorgte Kupfer fürs Dach, mit Westkaffee wurde Zement ertauscht, die Leute sammelten passende Natursteine, die sie in der Gegend fanden. Die Kraft, die in dieser inspirierenden Aktion steckte, beargwöhnte sogar die fleißig spitzelnde Stasi. Dem bunten Treiben konnte das nichts anhaben. 1974 startete der Pretziner Musiksommer, der seitdem jährlich viele Menschen zu Konzerten in die Kirche bringt.
Seit der Gründung der Straße der Romanik vor 30 Jahren ist Pretzien nur eine der vielen Überraschungen, die auf der Route entdeckt werden können.