In meinem Garten steht ein kleiner Kirschbaum. Ich habe ihn vor knapp zwei Jahren gepflanzt. Deshalb ist er noch nicht sehr groß, gerade mal einen Meter. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon einen großen Baum, mit starken Ästen und einem dichten Blätterdach. Ich träume davon, wie er mir in praller Sonne Schatten spendet, und natürlich von den herrlichen Süßkirschen, die an ihm reifen. Ich kann dann ein Vogelhaus in seine Zweige hängen, weil diese stark genug sein werden, es zu tragen.
Was für eine schöne Vorstellung, im Sommer unter dem Baum zu liegen und ein Buch zu lesen. Während ich in derartigen Gedanken schwelge und von der Zukunft träume, kommt mir die Frage, ob ich noch es erleben werde, so einen kräftigen mehrere Meter hohen Baum im Garten zu haben. Etwa 20 cm wächst ein Kirschbaum pro Jahr – ein paar Jahre dauert es also, bis er sich zum Baum meiner Träume ausgewachsen hat. Vielleicht werde ich dann gar nicht mehr dort wohnen. Weil ich zu alt und gebrechlich bin, das Haus und den Garten zu bewirtschaften. Wer weiß. Dann werden sich die Nachkommenden hoffentlich an dem Baum freuen. Den ich gepflanzt und gehegt habe.
Als ich ihn vor zwei Jahren in die Erde setzte, war mir gar nicht so bewusst, dass ich damit Zukunft pflanze. Das mache ich im übertragenen Sinn eigentlich ganz oft, Zukunft pflanzen. Den Samen legen für die Zeit nach mir. Zum Beispiel, wenn ich darauf achte, unseren Planet Erde mit all seinen Schönheiten nicht über Gebühr zu strapazieren. Die Erde ächzt und stöhnt unter der Last, die sie zu tragen hat. Das hat schon Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert sinngemäß niedergeschrieben.
Der ausbeuterische Umgang mit der Umwelt ist also schon ein uraltes Problem. Doch es hat in der heutigen Zeit an Fahrt aufgenommen. Wenn mir die nachfolgenden Generationen egal sind, handle ich nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. Aber wer will das schon für seine Kinder und Kindeskinder.
Es ist ein schöner Gedanke für mich, dass ich mit dem, was ich tue, auch gute Samen für die Zukunft legen kann. Noch schöner ist der Gedanke, wenn wir es gemeinsam machen: einer Zukunft den Boden zu bereiten, in der alle ein gutes Leben haben können. Nicht nur, weil wir es toll finden, sondern weil wir es den kommenden Generationen irgendwie auch schuldig sind.