Unlängst habe ich in einer Zeitung gelesen, dass der kleine Plausch bei zufälligen Begegnungen in unserem Verhaltensrepertoire keine Tradition hat. Das hat mich überrascht. Aus eigener Anschauung kann ich das jedenfalls nicht bestätigen. Meiner, natürlich rein subjektiven Beobachtung nach, ist man hierzulande einem kleinen Schwätzchen ganz und gar nicht abgeneigt. Aber vielleicht hängt diese Wahrnehmung damit zusammen, dass ich selbst für mein Leben gerne mit den Leuten rede. Ob im Zug, an der Supermarktkasse oder über den Zaun in meinem Hinterhof hinweg, während ich mein Rad aufschließe. Man beginnt mit einem "Wie geht’s" einfach ein kleines Gespräch und nach ein paar Minuten zieht jeder guter Stimmung seiner Wege.
Es gibt Leute, die das für pure Zeitverschwendung halten. Am Ende laufe das doch immer nur auf Klatsch und Tratsch hinaus. Mag sein. Ich möchte nur dagegenhalten, dass es auch harmlosen Klatsch gibt, der sich wunderbar für ein Schwätzchen eignet: Müllers erwarten Nachwuchs, Meiers sind in Ägypten auf Kamelen geritten… Selbstverständlich ist das alles wenig weltbewegend und eigentlich geht es einen auch gar nichts an. Und doch wären wir arm dran ohne diesen kleinen Austausch, der nichts weniger als ein urtümliches Interesse des Menschen am Menschen stillt. Das nun ist in diesen kontaktarmen Zeiten, wo alle Welt nur noch mit Knopf im Ohr rum läuft und ins Smartphone tippt, wahrlich nicht gering zu schätzen.
Vielleicht fragen Sie sich trotzdem, wozu es gut sein soll, sich mit Leuten zu unterhalten, die man kaum oder gar nicht kennt und die einem rein zufällig über den Weg laufen. Das Zauberwort lautet: Beziehungsvielfalt. Gemeint ist eine Mischung aus vertrauten und unbekannten Gesprächspartnern und -partnerinnen. Je vielfältiger das sogenannte "soziale Portfolio", umso wohler und zufriedener fühlt man sich. Umso mehr, weil Unterhaltungen mit Fremden fast immer wohlwollend und freundlich verlaufen. Man begegnet sich unbefangen und zwanglos, und gar nicht selten eröffnet die kleine Zwiesprache eine neue Perspektive.
Oder man findet wie ich sogar eine neue Freundin. Wir suchten beide im Supermarkt nach Kapern und da erzählte sie mir, in ihrer Kindheit habe es sonntags immer Hühnerfrikassee mit Kapern gegeben. Und dass sie heute zum ersten Mal wieder einkaufen sei, weil sie vor drei Wochen ihren Mann verloren habe. Zum Abschied tauschten wir Telefonnummern aus und umarmten uns. Wenn Sie heute die Gelegenheit haben, dann nehmen Sie sich einen Augenblick für einen kleinen Plausch. Er kann einen über den Tag retten.