Leiden Sie auch unter der Mönchskrankheit?
Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber ich vermute, dass viele Menschen aktuell davon betroffen sind, und ich frage mich das auch selbst. Denn damit wird ein Gemütszustand beschrieben, der oft in einer Krise auftritt. Mönchskrankheit deshalb, weil es Mönche waren, die dies bei sich erkannten und erstmals ausgiebig beschrieben haben. Sie nannten es die Acedia, übersetzt als "Trägheit des Herzens".
Spannend ist, wie dieser Gemütszustand näher beschrieben wird: da ist von einer Antriebslosigkeit die Rede, einer Mutlosigkeit, gepaart mit dem Gefühl von Sinnlosigkeit, die dann übergeht in Gleichgültigkeit. Die Acedia beschreibt das Phänomen der grundsätzlich schlechten Stimmung: Misstrauen, die Nachlässigkeit sich selbst gegenüber und ein permanentes Nicht-Wollen, das schließlich zum inneren Rückzug führt – eben zur "Trägheit des Herzens", wie die Mönche es schon im 4. Jahrhundert beschrieben.
Manche Psychologen sprechen in diesen Tagen wieder von der Acedia, weil sie darin die Stimmung unserer Zeit beschrieben sehen. Denn als Auslöser wurde schon bei den Mönchen eine anhaltende Krisensituation genannt. Das kann rein innerlich sein, aber auch durch äußere Umstände ausgelöst. Und sind wir nicht seit Jahren in einer permanenten Krise?
Corona hat gezeigt, wie verletzlich wir sind und wie zerbrechlich das Gefüge unserer Welt. Der Krieg in der Ukraine und die heftigen Auseinandersetzungen im Nahen Osten haben die Hoffnung auf Frieden und auf wachsenden Wohlstand für alle in weite Ferne rücken lassen. Das Vertrauen in Staat und Politik ist in weiten Teilen der Bevölkerung verschwunden. Dazu kommen die Prognosen im Hinblick auf das Klima. Kurzgesagt: Der Blick in die Zukunft erscheint düster. All das kann zu negativem Überdruss führen - zur Acedia mit ihren Begleiterscheinungen.
Vielleicht ist es da hilfreich, einmal zu schauen, welches Rezept denn eben jene Mönche dagegen entwickelten: Da wird zunächst mal die vermehrte körperliche Betätigung empfohlen, weil gerade der Ausgleich zwischen Körper und Seele für ein gesundes inneres Leben erkannt wurde. Aber dann heißt es auch, wachsam zu sein, und wahrzunehmen: was ist mir eigentlich abhandengekommen, was mir guttut und mich lebendig macht.
Die Mönche warnen jedenfalls eindringlich vor der Acedia, nennen sie gar eine schwere Sünde, wenn man sich ihr überlasse, weil die Mönche in ihr eine gefährliche Begleiterscheinung erkennen, wenn sie abschließend mahnen: "Der Mensch hüte sich davor! Denn: Er könnte dabei Gott vergessen."