"Lächle mal, das steht dir so gut!", habe ich letztens auf einer Tafel in einem Büroflur gelesen. Das ist sicher gut gemeint, denn lächeln tut ja grundsätzlich gut. Manchmal funktioniert das vielleicht auch; zumindest für den Moment.
In der Regel dürfte so ein Ratschlag allerdings nicht von Erfolg gekrönt sein, selbst wenn er ernstgemeint ist. Denn Emotionen lassen sich nicht einfach auf Knopfdruck beeinflussen. Und nur weil jemand nicht mit einem strahlenden Lächeln durch die Gegend läuft, muss es nicht bedeuten, dass er oder sie traurig ist. Der Gesichtsausdruck passt nicht unbedingt zur eigentlichen Stimmung. Jemanden aufzufordern zu lächeln, kann so eher noch dazu führen, dass diejenige genervt ist und ihr jetzt gar nicht mehr zum Lachen zumute ist. Wenn die Aufforderung von einem Fremden kommt, kann das sogar übergriffig wirken.
"Lach doch mal!" Dahinter steckt vielleicht unbewusst auch die Botschaft: "Ich möchte gerade nicht mit deiner schlechten Laune konfrontiert werden." Kann es sogar sein, dass sich jemand nicht traut, danach zu fragen, was den Gesichtsausdruck ausgelöst hat? Es ist ja durchaus möglich, dass es dafür einen ernsten Hintergrund gibt. Wenn man die Person gut kennt, sollte man dann eher darauf eingehen, als es zu übergehen.
Dass Emotionen zum Leben dazugehören, weiß auch schon die Bibel zu berichten. Selbst von Jesus hören wir, dass er weint, als er vom Tod eines Freundes erfährt (vgl. Joh 11,35). Über solche Emotionen sollte man nicht vorschnell hinweggehen, wenn man sie bei anderen wahrnimmt. Darauf weist ein Satz vom Heiligen Paulus hin, den er in einem Brief geschrieben hat: "Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden." (Röm 12,15) Dieser Satz ist mir in den vergangenen Jahren sehr wichtig geworden. Ich verstehe ihn so: Paulus möchte seine Gemeinde dafür sensibilisieren, die Gefühle ihrer Mitmenschen ernst zu nehmen und sie nicht zu schnell als unpassend abzutun, bloß weil man selbst gerade eine andere Stimmung empfindet. Dabei geht es nicht darum, dass man am Ende genauso betroffen ist, sondern dass man versucht, sich in die Lage der anderen Person hineinzuversetzen. Denn zum christlichen Glauben gehört ganz entscheidend die Nächstenliebe. Immer wieder geht Jesus auf Ängste von Menschen ganz persönlich ein, indem er mit ihnen spricht und nach ihrer Sehnsucht fragt. Das ist auch ein Ansporn für mich.
Ob das am Ende zu einem Lächeln führt, ist nicht so wichtig, aber man hat deutlich gemacht: ich nehme dich und deine Emotionen ernst.