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Klofrauen und Klomänner

Wort zum Tage, 26.04.2024

Claudia Zinggl, Triefenstein

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Bei der Oscar-Verleihung ist "Perfect days" leer ausgegangen. Aber auch ohne diese Auszeichnung ist das aktuelle Werk von Wim Wenders ein außergewöhnlicher Film. 

Eigentlich sollte der Regisseur eine Dokumentation über die stylishen High-Tech-Toilettenhäuschen in Tokio drehen; es sind kleine, architektonisch auffallende Gebäude aus edlen Materialien mit allerlei zusätzlichen Finessen.

Wim Wenders hat daraus eine märchenhafte Geschichte gemacht. Mit wenigen Worten, aber mit eindrucksvollen Bildern beobachtet er den Alltag eines älteren Mannes, der in Tokio sorgfältig öffentliche Toiletten reinigt. Seine Tage haben einen wiederkehrenden, festgelegten Ablauf: Aufstehen, Morgenroutine und eine Dose Kaffee; seine Pausen verbringt er im Park und vor dem Einschlafen liest er gehobene Literatur. Er wirkt zufrieden mit diesem bescheidenen Leben. Nur kurz blitzen Momente auf, die das Idyll stören.

Unweigerlich kam mir als Zuschauerin die desolate Situation des Toilettenpersonals hierzulande in den Sinn.

Selten werden Klofrauen und -männer für ihre Arbeit ausreichend gewürdigt: "Die meisten Menschen machen sich keine Gedanken darüber, was sie uns zumuten" – so eine Toilettenfrau im O-Ton. An der Tagesordnung sind herablassende Äußerungen wie: "Die putzt hier ja bloß; die wird ja dafür bezahlt". – Eine solche Aussage ist so unfair wie falsch. Weder die Bosse in den Einkaufszentren noch die Toilettenbetreiber an den Autobahnen sorgen für eine hinreichend geordnete Arbeitszeitregelung oder für eine gerechte Entlohnung. Das sogenannte "Tellergeld" ist in den meisten Fällen nämlich kein Trinkgeld für's Personal, sondern wird von den Hintermännern einkassiert. Auch die sauber und seriös wirkenden Toilettenunternehmer an den Autobahnen machen mit der "Pinkelpause" vor allem kräftige Gewinne. 

In biblischen Zeiten haben Propheten verantwortungsloses Handeln angeprangert. Eindeutig und ausdrücklich haben sie Ausbeutung thematisiert und im Namen Gottes Gerechtigkeit im Arbeitsleben gefordert. Heute recherchieren Journalistinnen und Journalisten und weisen unmissverständlich auf die üblen Machenschaften beispielsweise der Toilettenunternehmen hin. Der beschauliche Film "Perfect days" könnte auf Umwegen ebenfalls dazu beitragen, dass die folgende Erkenntnis nicht in Vergessenheit gerät: Klofrauen und Klomänner haben nicht nur die gleiche Würde wie alle anderen Arbeitnehmer. Für Hygiene und Sauberkeit in öffentlichen stillen Örtchen sind sie unverzichtbar. Deshalb verdienen sie unsere besondere Wertschätzung.

Über die Autorin Claudia Zinggl

Claudia Zinggl Theologin (JMU Würzburg), Geragogin (PH Karlsruhe). Bis zum Eintritt in die nachberufliche Phase Pastoralreferentin im Bistum Würzburg mit Aufgaben in  der Pfarreiseelsorge, in der Bildungsarbeit und in der kirchlichen Seniorenarbeit. Verfasserin von Beiträgen "Auf-ein-Wort" und "Katholische Morgenfeier" (BR).