Der Dichter Heinrich Heine nannte die Großzügigkeit "die Kunst des schönen Gebens", und nachdem uns der Herbst gerade mit überbordender Großzügigkeit Früchte des Feldes beschert, finde ich es an der Zeit, diese schöne Gabe zu würdigen.
Mit großer Zuneigung denke ich dabei an einen leider viel zu früh verstorbenen Freund, dessen Großzügigkeit legendär war. In jungen Jahren hatte er ein kleines Vermögen verdient, das er alsbald feierfreudig und mit vollen Händen unter die Leute brachte. Er lebte entschieden über seine Verhältnisse, gab für sich persönlich aber wenig aus. Umso lieber bereitete er anderen eine Freude. Einem Kollegen, der seine Frau verloren hatte, spendierte er eine Reise, mir stellte er einen Strauß mit 30 Gardenien vor die Tür, bloß weil ich mal erwähnt hatte, wie gern ich ihren Duft habe. Er war selbst dann noch unglaublich großzügig, als sein Konto längst leergeräumt, und er schwer erkrankt war. Für seine Beerdigung mussten wir zusammenlegen.
Natürlich ist es unvernünftig, zu leben, als gäbe es kein Morgen. Trotzdem dürften die meisten einen großzügig-unbekümmerten Lebensstil sympathischer finden als Pfennigfuchserei.
Für mich ist Großzügigkeit ein Wesenszug, eine Einstellung zum Leben. Wer wirklich großzügig ist, nimmt die Menschen wie sie sind, er kann über Schwächen hinwegsehen und fünf gerade sein lassen. Nicht, weil er oberflächlich ist, sondern weil er sich in andere hineinversetzen kann und weiß, wir sind alle keine Engel.
Gott liebt den fröhlichen Geber, heißt es und tatsächlich gehen großzügig sein und fröhlich sein gern Hand in Hand. In meinen Augen sind großzügige Menschen nicht allein großherziger hilfsbereiter und aufgeschlossener, sondern auch lustiger. Und deshalb, und nicht, weil sie für andere die Rechnung begleichen, ist man so gern mit ihnen zusammen.
Erinnern Sie sich, als zur Jahrtausendwende der Sharing-Gedanke aufkam? Damals hieß es, dass nach Jahrzehnten des An-sich-Raffens das Zeitalter der Großzügigkeit anbrechen würde. Es ist zu hoffen, dass mehr und mehr Menschen erkennen, wie viel Freude es macht, zu teilen und anderen etwas von seiner Zeit, seinem Wissen, seinem Geld abzugeben. In diesem Sinn könnte ich heute zu meinem Coffee-to-go noch einen "sospeso" spendieren. Gemeint ist die schöne, neapolitanische Tradition, bei der man statt einem Kaffee zwei bezahlt. Für den Gast, der nach einem kommt. Ganz einfach, um ihm, der möglicherweise etwas weniger betucht ist als man selbst, eine Freude zu machen.