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Durchkreuzer sollt ihr sein

Wort zum Tage, 27.03.2023

Andreas Brauns, Schellerten

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"Durchkreuzer", so heißt eine Initiative im Bistum Osnabrück. Durchkreuzer, das könnten in meinen Augen all jene sein, die sich auf Jesus von Nazareth berufen. Ein Mann, der in seinem Leben gescheitert ist. Er wurde gekreuzigt, aus dem Weg geräumt, hat er doch mit seinem Verhalten die Vorstellungen und Vorschriften seiner Zeit durchkreuzt.

Wie viele haben ihn verurteilt, weil er anders umgegangen ist mit Menschen und sich ihnen gegenüber nicht so verhalten hat, wie es der Tradition entsprach. Jesus hat sich nicht abgewendet von Frauen und Männern, die einen fragwürdigen Ruf hatten, er hat hingeschaut und tiefer gesehen, sich damit aber Feinde gemacht. "Wie kann jemand sich so verhalten, der von Gott als seinem Vater spricht?" Das hat viele seiner frommen Zeitgenossen irritiert.

Und es irritiert bis heute, wenn Menschen, die lieber anpacken als wegzuschauen, sich auf ihn berufen. Etwa an der Südgrenze Europas. Ihr Engagement durchkreuzt das Denken all jener, die lieber ihre Ruhe hätten, für die Europa eher eine Burg ist, die es zu verteidigen gilt. Die Frauen und Männer reichen Flüchtlingen die Hand – auf dem offenen Meer. Sie fragen nicht, woher die Menschen kommen, sie sehen sie in ihrer Not. Das irritiert viele. Wie kann man nur so handeln und damit Anreize, ja Hoffnungen wecken? Außerdem: wo kämen wir hin, wenn wir die Grenzen öffnen würden?

Eins wäre dann klar: Ein "weiter so" wäre unmöglich. Denn eine derartige Entscheidung würde die gängigen Bilder von Europa durchkreuzen. Plötzlich wäre viel mehr im Blick als nur der Wohlstand auf dem alten Kontinent. Aber genau darauf kommt es doch an: den Blick zu verändern, die Welt zu sehen und dabei auch die vielen Menschen, denen ein Leben in Freiheit und Sicherheit verwehrt wird.

"Bin ich der Hüter meines Bruders?" Diese Worte schleudert Kain Gott entgegen, als der ihn nach seinem Bruder Abel fragt. Es ist eine der ersten Geschichten in der Bibel. Kain weiß, was er getan hat, er hat getötet. Doch wer sich auf diesen Gott oder auch auf seinen Sohn beruft, muss wissen: Menschen sind füreinander verantwortlich. Das ist unbequem, doch das hat die Sprengkraft, die Welt zu verändern, alte Bilder und Ansichten zu durchkreuzen. Die Welt würde damit nicht zum Paradies, aber sie wäre ein Ort, an dem Menschen miteinander leben könnten. Wie schwer das ist, wird schon auf den ersten Seiten der Bibel deutlich. Hier durchkreuzt ein Mensch das göttliche Bild vom Menschen. Wo eben noch das Wir war, ist jetzt das Ich. Und das ist bis heute verbreitet.

In Afrika lautet ein Sprichwort: "Ich bin, weil wir sind!" Wie weit ist Europa von so einem Denken entfernt?

Über den Autor Andreas Brauns

Andreas Brauns wurde 1962 geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei Töchtern. Nach dem Theologiestudium in Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau absolvierte er seinen Zivildienst in Hannover. Während dieser Zeit gab es erste Kontakte zur kirchlichen Rundfunkarbeit. Seit 1995 arbeitet er als Redakteur im „Katholischen Rundfunkreferat für den NDR“. Zudem arbeitet er seit einigen Jahren auch als Beauftragter für Funk- und Fernsehen im Bistum Hildesheim. Ein Wort des Apostels Paulus im Römerbrief begleitete ihn seit dem Studium: „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“

Kontakt: andreas.brauns@bistum-hildesheim.de