Im untersten Zipfel Sachsen-Anhalts steht eine Klosterruine. An sich nichts Ungewöhnliches in dieser geschichtsträchtigen Region. Aber dieser Ort ist alles andere als nur eine Ruine. Im ehemaligen Kloster kann man Kinder und Jugendliche mit Schreibfedern treffen, im Außenareal mit Archäologen um die Wette graben.
Im Museum kann man seine Gebetsanliegen formulieren. Denn in der Krypta brennen weiterhin die Kerzen und im Sommer trifft man dort sogar "richtige" Benediktinermönche beim Gebet. Kurz, es handelt sich um einen Ort, an dem die Fragen des Glaubens immer noch gestellt werden. Memleben ist ein mystischer Ort, das kann man spüren. An diesem Ort lebten, beteten und arbeiteten über 500 Jahre Mönche. Sie prägten ihn durch ihre Vorstellung von Himmel und Erde, ihre Suche nach Gott und ihre Gestaltung und Kultivierung des Landes um das Kloster herum. Aber warum sind sie hier gelandet?
"Schuld" ist Kaiser Otto der Zweite und das hat einen besonderen Grund der 1050 Jahre zurückliegt. Im Jahr 973 zieht sein Vater, Otto I., mit großem Gefolge in Magdeburg ein. Der Kaiser kommt aus Italien zurück und bringt ein besonderes Geschenk in die Stadt. Die vom Papst erbetene Gründung des Erzbistums Magdeburg. Otto verkündet es, übergibt der Kirche eine Reihe Geschenke und zieht weiter: schließlich ist er Kaiser – und in seinem Leben herrscht, wenn man den Quellen glauben darf, Dauerstress. Im Mai 973 kommt er erschöpft in seine Kaiserpfalz Memleben. Der 61-jährige Kaiser wird krank, fiebert, fällt in Ohnmacht.
Als er wieder zu Bewusstsein kommt, bittet er um die Sterbesakramente und stirbt noch am gleichen Tag. Noch in der Nacht werden seine Eingeweide und sein Herz in Memleben bestattet. Sein Leichnam wird in einem dreißigtägigen Trauerzug nach Magdeburg überführt und im Dom beigesetzt, wo sein Grab noch heute zu finden ist. Sein Sohn, Otto der Zweite, wird sein Nachfolger und gründet im Jahre 979 in Memleben ein Kloster für Benediktiner. Er beauftragt die Mönche, für die Lebenden und die Toten zu beten. So bearbeiten und bewirtschaften die Benediktiner das Land, sorgen sich um Bildung und beeinflussen die Entwicklung der gesamten Kulturlandschaft an Saale und Unstrut nachhaltig.
Das Kloster wird in der Reformationszeit aufgelöst und bald zur Ruine. Heute, 1050 Jahre nach dem Tod Ottos des Ersten, ist das Kloster auf eine ganz andere Form wieder quicklebendig. Und auf der Suche nach dem Herz des Kaisers. Daher all das archäologische Graben. Doch egal, ob man das Herz findet oder nicht: Dass in Memleben ein lebendiges Herz schlägt, kann man spüren. Denn hier werden auf besondere Weise die Fragen nach Gott und der Welt gestellt, die unser Leben so spannend machen.