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Ware Mensch

Wort zum Tage, 28.03.2023

Andreas Brauns, Schellerten

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Ein Mensch ist durchschnittlich um die 80 Euro wert, wenn Sklaven- und Menschenhändler weltweit mit ihm handeln. Der Markt ist riesig: 40 Millionen Kinder, Frauen und Männer. Sie werden festgehalten, ausgebeutet und missbraucht – etwa in Fabriken, Haushalten, Bordellen und Minen. Das haben Dietmar Roller und Judith Stein herausgefunden in ihrem Buch "Ware Mensch". Beide sind davon überzeugt: Wir können die moderne Sklaverei beenden! Mit der Menschenrechtsorganisation "International Justice Mission" setzen sie sich dafür ein.

Desmond Tutu, der Bischof aus Südafrika, hat einmal geschrieben: "Wann werden wir endlich lernen, dass Menschen einen unendlichen Wert haben, weil sie nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, und dass es Gotteslästerung ist, sie so zu behandeln, als wären sie weniger als das…?"

Sklaverei ist heute anpassungsfähig, fast unsichtbar. In viel zu vielen Ländern nutzen Menschenhändler aus, dass Menschen hoffnungslos sind und bieten ihnen Perspektiven an, die sie oder Familienangehörige zu Sklaven machen. Da werden Mädchen zur Prostitution gezwungen, aus Jungen werden brutale Soldaten. Weltweit ist Sklaverei eine Schattenwirtschaft, mit der im Jahr 150 Mrd. US-Dollar Gewinn erzielt werden. In diesem System wird der Mensch zur Wegwerfware. Kostete ein Sklave im 19. Jahrhundert 1200 US-Dollar, was heute ungefähr 50.000 US-Dollar wären, so gibt es Kinder heute schon für umgerechnet 30 €. Viele von ihnen sind unerwünscht und auf sich allein gestellt. Sie leben in Armut und haben keine Chance, werden so zur leichten Beute, mit der sich viel Geld verdienen lässt.

Es sind Menschen, die keinen fairen Lohn erhalten, die nie aufmucken, weil sie dann sofort vor dem Nichts stehen würden. Doch: Sind sie weniger wert als Menschen, die in gesicherten Verhältnissen leben? Die, so wie ich, einfach nur Glück gehabt haben, in einem Land geboren zu werden, in dem es keine Sklaven mehr gibt. Sklaven nicht, aber Menschen, die so behandelt werden. Als Arbeitsmigranten ohne Rechte, als Zwangsprostituierte.

"Wann werden wir endlich lernen, dass Menschen einen unendlichen Wert haben, weil sie nach dem Bilde Gottes geschaffen sind?" Diese Frage muss sich das christliche Abendland gefallen lassen. Sie ist unbequem, doch sie erinnert daran: Alle Menschen sind Schwestern und Brüder. Sie sind Menschen, keine Ware. Und weil das so ist, ist eine Welt ohne Sklaverei keine Utopie, sie ist eine Vision. Und die beginnt mit offenen Augen.

Über den Autor Andreas Brauns

Andreas Brauns wurde 1962 geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei Töchtern. Nach dem Theologiestudium in Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau absolvierte er seinen Zivildienst in Hannover. Während dieser Zeit gab es erste Kontakte zur kirchlichen Rundfunkarbeit. Seit 1995 arbeitet er als Redakteur im „Katholischen Rundfunkreferat für den NDR“. Zudem arbeitet er seit einigen Jahren auch als Beauftragter für Funk- und Fernsehen im Bistum Hildesheim. Ein Wort des Apostels Paulus im Römerbrief begleitete ihn seit dem Studium: „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“

Kontakt: andreas.brauns@bistum-hildesheim.de