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Vom Wachbleiben

Wort zum Tage, 28.03.2024

Jacqueline Rath, Hamburg

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Er hatte nicht viel von Ihnen verlangt. Andere Aufgaben in der Vergangenheit waren anspruchsvoller gewesen. Heute sollten Sie einfach nur wachbleiben. Aber ohne eine richtige Aufgabe einfach nur wach zu bleiben, wenn man müde ist, ist gar nicht so leicht.

In den Gottesdiensten wird die Geschichte heute Abend erzählt: Wie Jesus mit seinen Jüngern in einen Garten vor den Toren Jerusalems geht und von Ihnen dort nichts anderes erwartet, als wach zu bleiben. Er selbst wolle sich in einiger Entfernung zum Gebet zurückziehen.

Doch die Jünger sind erschöpft. Die letzten Tage waren anstrengend und heute hatte Jesus so viele irritierende Dinge gesagt: Dass sie möglicherweise zum letzten Mal zusammen Essen würden und dass einer von ihnen ihn verraten wird. Was sollte das alles bedeuten? Die Jünger scheinen ratlos und überfordert von diesem seltsamen Abend. 

Mich haben die schlafenden Jünger schon immer beschäftigt. Wäre ich nicht hellwach geblieben nach so einem Tag? Wenn mir mein bester Freund, ein Mensch, den ich liebe, sagt, dass er bald nicht mehr bei mir sein wird, wenn er andeutet, dass sich da etwas Schlimmes anbahnt, wovon ich nichts verstehe, würde ich mir dann nicht den Kopf zermartern? Mich andauernd fragen, was passieren wird?

Die Jünger aber halten es nicht mal eine Stunde aus, da sind sie schon eingeschlafen. Und auch als Jesus sie vorwurfsvoll aufweckt, gelingt es ihnen nicht wachzubleiben.

Die Schläfrigkeit der Jünger Jesu ist eine Geisteshaltung, die man überall auf der Welt wahrnehmen kann. Der verstorbene Papst Benedikt XVI. hat sie in seinem mehrbändigen Werk über Jesus von Nazareth in beeindruckender Weise auf alle Menschen übertragen. Er schreibt darin, die Schläfrigkeit sei "eine Stumpfheit, die all das Leid lieber nicht wahrnehmen möchte; die sich beruhigt, dass alles schon nicht so schlimm sei." [1]

Ein ganz schöner Schlag ins Gesicht, diese Aussage. Und beschämend dazu. Sind wir Menschen so stumpf? Oder anders: Kann man uns diesen Schutzmechanismus überhaupt verdenken?  Würden wir nicht andernfalls wahnsinnig werden angesichts all des Schrecklichen in der Welt?

Es ist schwer, sich dieser Schläfrigkeit zu entziehen. Das wusste auch Jesus, denn er appelliert immer wieder an die Menschen: "Seid wachsam". Wo will ich wachsamer sein? Und wo ist es an der Zeit aufzuwachen? – das sind Fragen, die ich für mich mit in diese österlichen Tage nehmen werde.


[1] Joseph Ratzinger – Benedikt XVI: Jesus von Nazareth. Band II. Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. 2. Auflage Herder 2013. S. 174.

Über die Autorin Jacqueline Rath

Jacqueline Antonia Rath wurde am 28.08.1992 in Hamburg geboren. Sie studierte katholische Theologie an der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster. Anschließend absolvierte sie ihr Volontariat in der Medienabteilung des Erzbistums Hamburg. Seit April 2021 ist sie Redakteurin für Verkündigungssendungen im katholischen Rundfunkreferat des Erzbistums Hamburg.

Kontakt: rath@erzbistum-hamburg.de