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Farbspiele

Wort zum Tage, 28.04.2023

Martin Wolf, Mainz

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Viva Magenta! So heißt die Farbe des Jahres 2023. Es ist ein ungewöhnlicher Rot-Ton. Seit mehr als zwanzig Jahren schon präsentiert das Pantone Color Institute in den USA die Farbe des Jahres. Es ist eine absolute Institution in Sachen Farben. Die sogenannten Pantone-Farben gelten als eine Art weltweiter Standard etwa für Grafiker oder Webgestalter. Interessant daran finde ich vor allem, dass man dazu die aktuellen Trends aus Werbung, Mode oder Kunst genau beobachtet. Sie spiegeln sich dann in der jeweiligen Farbe eines Jahres wider.

Trends, die ja immer auch ein Barometer der Stimmungen und Gefühlslagen sind. Und so kommt nach einem Grau und einem Blauviolett aus den letzten beiden Jahren nun also dieses Rot. Pantone selbst spricht von "Leben und Leidenschaft", von "Freude und Optimismus". Von einer Farbe, die "mutig und furchtlos" sei, "überschwänglich" und "pulsierend".

Für mich schwingt in dieser Wortwahl vor allem viel Hunger und Sehnsucht nach dem Leben mit. Vielleicht ja ein Hoffnungszeichen. Denn nicht nur ich habe mich in den letzten beiden Jahren so oft mitreißen lassen von der schieren Übermacht an schlechten Nachrichten. Der scheinbar nicht enden wollenden Pandemie. All dem Krieg und Hass. All den Horrormeldungen zur Klimakrise, die unsere Zukunft bedroht und nicht mal im Ansatz gelöst ist. Ich kenne Menschen, die unter all dem nicht nur seelisch, sondern auch wirtschaftlich schwer gelitten haben. Optimismus und Lust aufs Leben jedenfalls waren viel zu lange nur schwach zu spüren.

Die Farbe Viva Magenta erinnert mich aber auch an jenen Farbton des Himmels, den man nur für kurze Zeit am frühen Morgen sehen kann. Es ist die Zeit, bevor die Sonne am Horizont aufgeht. Dieser flüchtige Moment des noch Unentschiedenen zwischen Nacht und Tag, zwischen Dunkel und Licht. Ich mag ihn ganz besonders. Für die Christinnen und Christen ist er, wenn man so will, so etwas wie die tägliche Erinnerung an den frühen Ostermorgen. Und damit an das Fest, das die Christenheit nun noch bis Pfingsten feiert.

Denn in der Morgenröte des Ostertags, so erzählen es die biblischen Ostergeschichten, gingen die Frauen aus der Stadt hinaus. Machten sich auf zum Grab Jesu, um dort zu merken, dass es leer ist. Dass das Leben sich über Verzweiflung und Tod hinweggesetzt hatte. Dass nach der Dunkelheit neues Licht und neues Leben sein wird. Leid und Schmerz sind damit nicht weg. Das Paradies auf Erden ist auch damals an Ostern nicht gekommen. Aber neue Hoffnung.

Pantone selbst spricht übrigens von einer Farbe, die "ein neues Kapitel aufschlägt". Ich finde, das passt.

Über den Autor Martin Wolf

Martin Wolf wurde 1962 in Schwerte geboren. Er studierte Katholische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Seit 1990 ist er beim Bistum Speyer beschäftigt. Von 1993 bis 2004 war er als Pastoralreferent in verschiedenen Pfarreien des Bistums Speyer tätig. 2004 wurde er Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde in Kaiserslautern. Als Autor ist er in der Katholischen Rundfunkarbeit bereits seit 2002 engagiert. Von 2010 bis 2017 war er auch Beauftragter des Bistums Speyer beim Südwestrundfunk (SWR) und Saarländischen Rundfunk (SR). Seit Juni 2017 ist Martin Wolf Landessenderbeauftragter der Katholischen Kirche beim SWR in Mainz. Wolf ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Frau zwei Töchter.