Mit Engeln ist es ja so eine Sache. Der bekannte Theologe Karl Rahner hat einmal geraten, über Engel nur dann zu sprechen, wenn man ausdrücklich darum gebeten wird. Für ihn sei die Wahrscheinlichkeit, theologisch da etwas Verkehrtes zu sagen, viel größer als etwas Richtiges. Nicht immer gab man sich so zurückhaltend. So hat etwa der Kirchenlehrer Thomas von Aquin im Mittelalter ernsthaft darüber nachgedacht, an wie vielen Orten ein einzelner Engel zur selben Zeit sein kann. Oder wie viele Engel sich am selben Ort aufhalten können.
Morgen, am 29. September, feiert die Kirche das Fest der Erzengel. Sie heißen Michael, Raffael und Gabriel. Von diesen drei wird in Geschichten der Bibel erzählt. Ihre Namen geben einen Hinweis darauf, wie man sich die Engel denken kann. Denn sie alle verbindet in ihrem Namen das kleine Wortteil "El" für Gott. So heißt Michael übersetzt "Wer ist wie Gott?", Raffael "Gott heilt" und Gabriel "Kraft ist Gott". Die Engel sind demnach Geschöpfe Gottes in der "unsichtbaren Welt". So spricht das große Glaubensbekenntnis von Engeln. Das klingt doch zurückhaltender als die vielen Überlegungen eines Thomas von Aquin. Bis heute beschränkt die offizielle Lehre der römisch-katholischen Kirche die Erzengel auf diese drei: Michael, Raffael und Gabriel.
Doch der Volksglaube geht halt manchmal eigene Wege.
Eine Forsa Umfrage ergab schon vor Jahren, dass in der deutschen Bevölkerung mehr Menschen an ihre Schutzengel glauben als an die Existenz Gottes. In einer Gesellschaft, in der Gott für viele nicht mehr selbstverständlich ist oder schlichtweg keinen Platz hat, kommen Engel wie gerufen. Sie können die Funktionen übernehmen, die traditionell Gott zugeschrieben werden. Engel gelten als umgänglich und sind auch bei Zeitgenossen, die sonst mit dem Glauben und der Religion nicht viel anfangen können, akzeptiert. Engeln, so scheint es mir, wird von vielen Menschen besser zugetraut, die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen zu kennen, als ein Gott, von dem wir immer hören, dass er alle Menschen zu einem Volk zusammenruft und dessen Anspruch möglicherweise unbequem ist oder doch nicht so greifbar. Wer weiß.
Ob das Vertrauen, das Menschen zu den Engeln haben, nicht doch zur Tür werden kann, durch die sie eines Tages zu Gott finden? Und da gibt es diesen schönen Gedanken von Rudolf Otto Wiemer: "Die Engel – es müssen nicht Männer mit Flügeln sein."