Der Herbst ist meine liebste Jahreszeit, umso mehr, als ich selbst im Herbst des Lebens bin, wie man so sagt. Die Natur zeigt sich von ihrer schönsten Seite, das Blattwerk ist in strahlendes Rot und satte Gelbtöne getaucht, die Luft von seltener Klarheit. Zwischen den Bäumen glitzern silbrig schimmernde Fäden. Es heißt, wer daran hängen bleibt, dem beschert das Schicksal Glück. An manchen Tagen strahlt die Sonne noch richtig warm. Trotzdem besteht kein Zweifel, dass der Sommer endgültig vorbei ist. Die Tage werden merklich kürzer, die Natur bereitet sich auf den Winterschlaf vor. Ein Windhauch – und Bäume und Sträucher lassen in stiller Anmut ihre alten Blätter los. Im amerikanischen Englisch ist der Begriff für Herbst denn auch nicht "Autumn", sondern "Fall".
Das trifft es ziemlich gut. Am Ende sind wir ja alle so etwas wie Blätter, die schwankend an einem Ast hängen und loslassen müssen im Vertrauen auf den nächsten Frühling. Von diesem Fallen spricht auch Rainer Maria Rilke in seinem Herbst-Gedicht, das mit den Zeilen endet: "Wir alle fallen. / Diese Hand da fällt. /Und sieh dir andre an:/ es ist in allen. /Und doch ist Einer, / welcher dieses Fallen / unendlich sanft in seinen Händen hält."
Es gibt Menschen, die der Herbst melancholisch stimmt. Die kürzer werdenden Tage, das abnehmendene Sonnenlicht, die ungewohnte Ruhe über Feld, Wald und Wiesen… Es ist schon so, dass der Herbst uns eine besondere Stimmung auflegt, eine Klarsicht auf das eigene Leben und seine Vergänglichkeit. Ein bisschen nachdenklich kann man da schon werden. Für Trübsinn besteht indes kein Grund. Denn wir stehen ja nicht nur vor den abgeernteten Feldern, sondern auch vor gefüllten Kornspeichern.
Der Herbst ist eine Zeit der Wandlung und des Insichgehens, aber zum Glück nicht nur. Denn in dieser Jahreszeit wird besonders viel gefeiert. Je nach Region erfreuen sich Zwiebel-, Kartoffelfeste und Kirchweihfeste größter Beliebtheit. Nicht zu vergessen die zahlreichen Winzer- und Weinfeste. Die alten Herbstbräuche, mit denen man früher das Ende einer arbeitsreichen Zeit beging, die in den kargen Monaten das Überleben sicherte, sind geprägt von Ehrung, Dank und Segen der Ernte. Und vielleicht können wir bei einem Glas des neuen Weins die eine oder andere herbstliche Stunde dafür nutzen, dankbar auf die vergangenen Monate zu blicken und zuversichtlich auf das, was kommt.