Ich sitze am Schreibtisch. Es sind wichtige Texte zu schreiben, was meine volle Konzentration erfordert. Außer dem Ticken der großen Wanduhr, die alle halbe Stunde schlägt, ist es richtig still im Zimmer. Prima, dann kann es ja losgehen. Ich schreibe die ersten Sätze, streiche durch, formuliere neu und versuche, alle Gedanken zu ordnen. Plötzlich ertönt ein leises Brr. Brr. Dieses Geräusch reißt mich aus meiner Arbeit. Es ist mein Handy. Ich hatte es auf Vibrieren gestellt, damit mich sein lautes Klingeln nicht stört. Doch genau das macht das Vibrieren jetzt auch. Es stört.
Ich hätte das Handy auch auf lautlos stellen können. Doch dann entschied ich mich dagegen. Was ist, wenn ein wichtiger Anruf oder eine brandaktuelle und für mich relevante Mitteilung kommt? Das waren meine Befürchtungen. Aber mal ehrlich: ich bin kein Arzt im Dauereinsatz. Und ich habe auch noch nie eine so wichtige Nachricht bekommen, deren Nichtbeachtung sofort mein Leben ruiniert hätte. Ich beobachte zudem, dass mich die ungebremste Flut an Meldungen, die mich ebenfalls über das Handy erreichen, ruiniert. An manchen Tagen fürchte ich zu verblöden. Kein Mensch kann sich so viele Informationen merken.
Das Perfide ist: Sobald ich mein Handy geöffnet habe, überfällt mich ein buntes Gemisch aus Nachrichten jeglicher Couleur. Lese ich eine, ploppen gleich fünf neue auf. Die Überschrift klingt interessant, und schon bin ich gefangen. Am Wochenende kommt dann die Quittung. Mein Handy sendet mir, wie lange ich in der vergangenen Woche mit ihm aktiv zugebracht habe. Ich komme im Schnitt auf zwei Stunden am Tag. Das macht in der Woche 14 Stunden. Im Monat 56, aufs Jahr gerechnet 672 Stunden, also 28 Tage. Fast ein Monat. Nicht zu glauben.
Von 12 Monaten im Jahr einen am Handy zugebracht. Um dem Dilemma abzuhelfen, nützt es mir nicht, mich darüber aufzuregen. Ich muss etwas tun. Abgesehen von der Zeit, die verloren geht, machen Nachrichten auch Stress. Ist man einmal in der Mühle drin, lässt man sich ablenken, will immer up-to-date sein. Stress pur.
Der Schweizer Autor Rolf Dobelli beschreibt in seinem Buch "Die Kunst des digitalen Lebens", wie er seit vielen Jahren schon auf jegliche Form von Nachrichten verzichtet. Er stellt fest, dass die vielen Nachrichten unseren Geist vernebeln und unseren Blick für das wirklich Wichtige verstellen. Der Wunsch, nichts zu verpassen, hat einen hohen Preis. Der Verzicht dagegen bringe klareres Denken, wertvollere Einsichten und weniger Nervosität. Nicht zu vergessen, die nun freie Zeit.
Ich meine: Ein lohnender Verzicht mit unglaublichem Gewinn.