Newsletter

Himmel über uns

Wort zum Tage, 29.08.2024

Martin Wolf, Mainz

Beitrag anhören

Manche Erlebnisse, die vergisst man womöglich nie. Es war während meines Studiums. Auf einer Studienreise durch Israel vor fast vierzig Jahren haben wir eine Nacht in Zelten in der Negev-Wüste verbracht. Weit abseits von jeder Siedlung. Es war eine klare Sommernacht damals und über der Wüste spannte sich in seiner ganzen Pracht dieser schier endlose Sternenhimmel. Zigtausende von Sternen. Ein Anblick, der mich noch heute fesselt und fasziniert, den ich aber so beeindruckend wie damals nie wieder erlebt habe.

Es muss wohl so ein Anblick gewesen sein, den auch der biblische Abraham vor Augen hatte, als Gott eines Nachts zu ihm, dem Wüstennomaden, gesprochen hat. Ihm zugesagt hat, dass seine Nachkommen mal so zahlreich sein werden wie die Sterne, die er jetzt da oben am Himmel stehen sieht. Möglich, dass der Verfasser uns damit eine Geschichte über Nachhaltigkeit erzählen wollte. Schließlich verstehen sich alle Anhängerinnen und Anhänger der drei großen, monotheistischen Religionen als entfernte Nachfahren dieses Abraham. Und doch steckt für mich noch mehr darin. Die Geschichte erzählt auch von einer Spiritualität der Schöpfung. Denn ich merke ja selbst, wie der Anblick des von Sternen übersäten Nachthimmels etwas tief in mir anrührt. So wie damals, vor fast vierzig Jahren in der nächtlichen Wüste.

Bei aller Faszination und Schönheit, die der Anblick bietet, wird mir dabei nämlich auch bewusst, wie lächerlich winzig, ja unbedeutend ich angesichts dessen bin. Und wie unfassbar gewaltig das ist, was gläubige Menschen die Schöpfung nennen. Da sitze ich auf dieser blauen Kugel. Einem ziemlich kleinen Planeten, der eine Sonne umkreist, die nur eine ist unter zigtausend Sonnen, die es allein in unserer Galaxie, der Milchstraße gibt. Heute weiß ich aber auch, dass sich dahinter eine endlos scheinende schwarze Leere ausbreitet – bis zur nächsten Galaxie, und so weiter. Und ich merke, dass das mein Vorstellungsvermögen irgendwann einfach übersteigt. Das kann schon ein bisschen demütig machen und bewahren vor Größenwahn und Allmachtsphantasien.

Von all den astronomischen Phänomenen konnte ein Abraham noch nichts wissen. In der biblischen Geschichte wird nur erzählt, wie Abraham beim Blick in den Sternenhimmel Gott glaubte. Vielleicht ein Fingerzeig, was Glaube auch bedeuten kann. Nicht das Für-Wahr-Halten von irgendetwas, das ich nicht beweisen kann. Sondern eine Ahnung vom Schöpfer, indem ich über die unfassbare Größe seiner Schöpfung staune. Und mich selbst darin dennoch als einen winzigen, aber gewollten Teil dieser Schöpfung verstehe.

Über den Autor Martin Wolf

Martin Wolf wurde 1962 in Schwerte geboren. Er studierte Katholische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Seit 1990 ist er beim Bistum Speyer beschäftigt. Von 1993 bis 2004 war er als Pastoralreferent in verschiedenen Pfarreien des Bistums Speyer tätig. 2004 wurde er Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde in Kaiserslautern. Als Autor ist er in der Katholischen Rundfunkarbeit bereits seit 2002 engagiert. Von 2010 bis 2017 war er auch Beauftragter des Bistums Speyer beim Südwestrundfunk (SWR) und Saarländischen Rundfunk (SR). Seit Juni 2017 ist Martin Wolf Landessenderbeauftragter der Katholischen Kirche beim SWR in Mainz. Wolf ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Frau zwei Töchter.