"Einen guten Schulranzen kaufen Sie dann am besten in Berlin." So wurde es mir am Ende der Schuleingangsuntersuchung meiner Tochter beim Gesundheitsamt in Frankfurt (Oder) empfohlen. Meine Tochter hatte keine ungewöhnlichen Körpermaße für ein Kitakind kurz vor der Einschulung – warum also sollte ich extra nach Berlin fahren? Ich wunderte mich deswegen einen Moment, aber maß diesem Satz keine allzu große Bedeutung zu.
Doch jetzt, nachdem mein Umzug von Berlin nach Frankfurt zweieinhalb Jahre her ist, verstehe ich diesen Satz besser. Viele Studis haben ihren Job in Berlin, bestimmte Einkäufe erledigt man besser in Berlin, für viele Kulturangebote fährt man lieber nach Berlin. Wenn Bauarbeiten an der Bahnstrecke angekündigt sind, werden Vorlesungen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt auch mal verschoben oder nur noch online angeboten. Denn nicht nur viele Studierende, sondern auch viele Lehrende wohnen in Berlin. Für Demonstrationen wie den Klimastreik findet sich an der Oder nur ein kleines Häufchen Protestierender zusammen, auch weil die Verlockung groß ist, sich lieber mit Zehntausenden lautstark durchs Berliner Regierungsviertel zu schieben.
Es ist in Ostbrandenburg also deutlich spürbar, wo die Peripherie und wo das Zentrum ist. Grundsätzlich finde ich das auch gar nicht schlimm. Nicht alles muss überall gleich gut machbar sein und die Metropolen waren von jeher Anziehungspunkte der Provinz. Erst in diesem Jahr ist mir klar geworden, dass auch Jesus immer wieder von der Provinz Galiläa, in der er hauptsächlich tätig war, zu großen Wallfahrten nach Jerusalem gezogen ist. Und vom religiösen Zentrum des Judentums zog er mit vielen anderen Pilgerinnen und Pilgern wieder zurück in die Provinz, wo er sich anscheinend mehr Wirkung versprach als in der Hauptstadt.
Ohne meine Arbeit in der Studentenseelsorge mit der von Jesus zu vergleichen, fällt mir doch auf, dass es in einer kleineren Stadt tatsächlich viel mehr Möglichkeiten gibt, Dinge mitzugestalten als in der Großstadt. Die Menge der handelnden Personen ist übersichtlicher, Kontakte knüpfen sich schon durch die räumliche Nähe leichter und es lässt sich im kleineren Rahmen viel eher Wirkung erzielen als in den Weiten der Hauptstadtkieze.
Die Provinz – da ist es zwar manchmal langweiliger, da ist weniger los, da gibt es vielleicht nicht alles. Aber dort lassen sich eben Dinge im Kleinen bewegen, was nicht weniger wichtig ist als im Großen. Nur den Schulranzen, den habe ich dann tatsächlich in Berlin gekauft.