Newsletter

Totenstille

Wort zum Tage, 30.03.2024

Jacqueline Rath, Hamburg

Beitrag anhören

Stille. Nichts als bedrückende Stille. Verunsicherung und Ohnmacht. So stelle ich mir diesen Tag heute vor über 2000 Jahren vor.

Wo wir jetzt schon mit den Vorbereitungen für morgen beschäftigt sind, Eier färben, Osterlämmerbacken und Einkäufe erledigen, da herrschte damals eine lähmende Stille. Von Auferstehungsfreude und Festtagsstimmung keine Spur. Jesus liegt tot im Grab.

Die Bibel berichtet nicht viel über diesen Tag. Sie erzählt nur davon, dass Wachen vor Jesu Grab postiert werden. Damit keiner auf die Idee kommt, den Leichnam zu stehlen und diesen Betrug dann als Auferstehung zu verkaufen. Schließlich hatte dieser Jesus ja sehr rätselhaft von Auferstehung gesprochen und sicher ist sicher.

Ich erinnere mich noch genau, dass ich als Kind diesen Karsamstag immer etwas unheimlich fand. Wo ist Jesus denn nun? Ich konnte mir unter dem Begriff "Grabesruhe" einfach nichts vorstellen.

Das christliche Glaubensbekenntnis spricht davon, dass Jesus "hinabgestiegen ist in das Reich des Todes". Aber was ist das? Auf orthodoxen Ikonen wird das Geschehen so dargestellt: Jesus zusammen mit verstorbenen Personen, die in der jüdischen Tradition wichtig sind: Da sind zum Beispiel Adam und Eva, die Könige David und Salomo, ja sogar Johannes der Täufer. Sie alle sind im Totenreich. Und über ihnen: Jesus. Zu sehen ist, wie er ihnen die Hand reicht und sie nach oben zieht. Wohin? Zu sich und seinem Vater, in den Himmel. An den Ort, von dem er immer gesprochen hat.

Auferstehung beginnt hier ganz unten, in den Tiefen des Todes. An einem Ort, an dem jeder Mensch erst einmal unendlich allein und einsam dasteht. Warum? Weil niemand weiß, was einen im Tod erwartet.

Jesus aber holt die Menschen aus ihrer Verlorenheit. Daran glauben Christinnen und Christen. Für mich ein bewegendes, starkes Bild. Aber für unsere moderne Gesellschaft wohl dennoch vielerorts nichtssagend. Stoff für einen Sciencefiction Film allemal, aber schwer greifbar für den Verstand.

Vielleicht hilft genau da die Stille, die Totenstille an diesem Karsamstag. Und dann der Blick in sich selbst. Was habe ich begraben und wo oder mit wem wünsche ich mir einen Neubeginn? Und auch wenn ich nicht religiös bin und weit entfernt vom Begriff der christlichen Auferstehung – gibt es da nicht trotzdem etwas in mir, was zu neuem Leben erweckt werden möchte?

Ich denke das sind Fragen, die, wenn wir sie zulassen, in jedem von uns schlummern.

Über die Autorin Jacqueline Rath

Jacqueline Antonia Rath wurde am 28.08.1992 in Hamburg geboren. Sie studierte katholische Theologie an der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster. Anschließend absolvierte sie ihr Volontariat in der Medienabteilung des Erzbistums Hamburg. Seit April 2021 ist sie Redakteurin für Verkündigungssendungen im katholischen Rundfunkreferat des Erzbistums Hamburg.

Kontakt: rath@erzbistum-hamburg.de