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Würde in der Schlachtfabrik

Wort zum Tage, 30.07.2024

Andreas Brauns, Schellerten

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Der heutige 30. Juli ist für die Vereinten Nationen der "Welttag gegen Menschenhandel". Er will ein Zeichen setzen gegen Ausbeutung und nimmt auch die Menschen in den Blick, die auf der Suche nach Arbeit Menschenhändlern in die Hände fallen. Es werden nicht nur Frauen und Männer mit falschen Versprechungen in die Zwangsarbeit oder die Prostitution gelockt. Fast jedes dritte Opfer ist ein Kind. Und weit mehr als die Hälfte weiblich. Die Zahl der Opfer von Menschenhandel kann nur geschätzt werden, denn die Dunkelziffer in diesem lukrativen Geschäft ist sehr hoch.

Für mich ist das nichts anderes als "moderne Sklaverei". Bitter vor allem, wenn junge Frauen hierzulande gezwungen sind, ihren Körper zu verkaufen. Wie eine Ware werden sie vermietet, weiterverkauft und irgendwann aussortiert. Aber Menschenhandel ist noch weit mehr, als Frauen in die Prostitution zu drängen.

So werden in Osteuropa Frauen und Männer angeworben, damit sie hier für wenig Geld ohne jede Sicherheit viele Stunden Tag für Tag arbeiten – etwa in Fleischfabriken. Die funktionieren kaum ohne Arbeitsmigranten, oft auf Abruf. Wer krank wird, hat Pech gehabt. Wer aufmuckt, kann gehen. Leiharbeiter oder Werkvertragsarbeiter zerlegen im Akkord Schweine und andere Tiere für die Supermärkte. Damit Fleisch, sauber unter Folie verpackt, möglichst wenig kostet.

Den Preis dafür zahlen die Frauen und Männer, die kaum jemand kennt, die nicht ins Rampenlicht kommen. Sie werden schamlos ausgebeutet, sind überlastet und leben zu oft in unzumutbaren Verhältnissen: Manchmal in heruntergekommenen Häusern mit vielen anderen auf einem Zimmer. Oft abgeschottet von der Außenwelt. Denn eine Integration ist nicht erwünscht. Diese Menschen sind nur Arbeitskräfte…

Aber genau diese Menschen versucht Peter Kossen, Pfarrer in Lengerich in Westfalen, sichtbar zu machen, ihnen eine Stimme zu geben. Dafür hat er den Verein "Würde und Gerechtigkeit" gegründet. Mit anderen will er so für und mit den Frauen und Männern aus Osteuropa ihre Rechte einfordern. Vor allem ein Grundrecht aus der Verfassung: Die Würde des Menschen. Gilt sie doch als unantastbar. Das Grundrecht gilt für alle Menschen. Nicht nur für jene, die das Glück hatten, hier geboren zu werden und einen deutschen Pass in der Tasche zu haben.

Peter Kossen sieht die Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben. Er schaut ihnen ins Gesicht und kann nicht schweigen. Denn da ist für ihn das Wort aus der Schrift: "Was ihr dem geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!" (nach Mt 25,40) Das klingt harmlos, doch wer danach handelt, eckt an. Denn da sind doch so viele andere, die auch Hilfe brauchen. Das stimmt. Aber wenn alle, die Not sehen, anpacken würden, dann wäre die Gesellschaft morgen eine andere, weil niemand mehr Angst haben müsste, zu kurz zu kommen.

Über den Autor Andreas Brauns

Andreas Brauns wurde 1962 geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei Töchtern. Nach dem Theologiestudium in Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau absolvierte er seinen Zivildienst in Hannover. Während dieser Zeit gab es erste Kontakte zur kirchlichen Rundfunkarbeit. Seit 1995 arbeitet er als Redakteur im "Katholischen Rundfunkreferat für den NDR". Zudem arbeitet er seit einigen Jahren auch als Beauftragter für Funk- und Fernsehen im Bistum Hildesheim. Ein Wort des Apostels Paulus im Römerbrief begleitete ihn seit dem Studium: "Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?"

Kontakt: andreas.brauns@bistum-hildesheim.de