Am Ende des Arbeitstages den Schreibtisch freizuräumen ist heute Standard in vielen Unternehmen. Gewünscht ist ein "Clean Desk". Das soll nicht nur das geistige Arbeiten fördern, sondern auch einen guten Eindruck hinterlassen. Soweit die Theorie.
Den "Clean Desk" kannte der heilige Hieronymus noch nicht. Er steht am heutigen Tag, dem 30. September, im Heiligenkalender der Kirche. Auf Gemälden, die ihn darstellen, sehen wir Hieronymus in seiner Studierstube vor einem großen aufgeschlagenen Buch, auf dem Fußboden liegen Zettel und Papierrollen. Weitere Bücher verstopfen die Regalwand.
Hieronymus wurde im Jahre 347 in der römischen Provinz Dalmatien geboren. Seine vermögenden Eltern schickten den noch Siebenjährigen zum Studium der Grammatik, Rhetorik und Philosophie nach Rom. Er lässt sich taufen, lebt als Eremit in Syrien, lernt Griechisch und Hebräisch. Er empfing die Priesterweihe, studierte weiter in Konstantinopel und wurde zum päpstlichen Sekretär ernannt. Mit 40 Jahren lässt sich Hieronymus in Bethlehem nieder und gründete ein Kloster. Dort stirbt er am 30. September 420.
Seine Hauptleistung ist die Herausgabe der lateinischen Bibel. Das Alte Testament übersetzte er völlig neu aus dem Hebräischen und Griechischen. Das Neue Testament ist eine Überarbeitung älterer lateinischer Ausgaben mit vergleichender Übersetzung des griechischen Originals. Von der Zeit Karls des Großen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, über 1000 Jahre lang, blieb die "Vulgata" die maßgebliche Bibelübersetzung. Hieronymus selbst verstand seine Übersetzungstätigkeit als einen Dienst am Wort. So wundert es nicht, dass ihn moderne Literatur-Übersetzer und Übersetzerinnen zu ihrem Berufspatron erkoren haben. Jedes Jahr am 30. September wird der Internationale Tag des Übersetzens begangen und der Hieronymusring für herausragende Übersetzungsleistungen verliehen.
Mich beeindruckt es, dass in der Zeit von Sprachcomputern und künstlicher Intelligenz Übersetzerinnen und Übersetzer aus Fleisch und Blut mit ihrer Sorgfalt für Sprache so viel dazu beitragen, dass ein Verstehen zwischen Menschen möglich wird. Zu lange blieben sie neben den gefeierten Autoren ungenannt und unbekannt. Doch mit ihrem Handwerk dienen sie der Förderung von Kultur und Wissenschaft und dem Frieden zwischen Menschen und Völkern.
Ob am clean desk oder im kreativen Chaos ist da einerlei.