Seit beinahe zwei Jahren treffen sich bei uns in Frankfurt an der Oder Woche für Woche Menschen, die für den Frieden beten. Es sind mal mehr und mal weniger, aber ein Kreis von um die 15 Personen ist es mindestens, der an jedem Freitagnachmittag zusammenkommen. Im Sommerhalbjahr trifft man sich an der Friedensglocke am Ufer der Oder, im Winter steht die Friedenskirche für die kurzen Andachten offen.
Ich selbst habe vor vielen Jahren einen Freiwilligendienst in der Ukraine geleistet und fühle mich dem Land seitdem sehr verbunden, besonders seit dem 24. Februar 2022. Darum bringe ich mich an verschiedenen Stellen ein und unterstütze die Anliegen von Geflüchteten ebenso wie Hilfstransporte oder eben das Friedensgebet.
Dabei ist das nicht immer einfach für mich. Denn nicht nur der Krieg in Israel und Gaza, der inzwischen auch oft Thema dieser Gebete ist, kennt verschiedene Blickwinkel. Krieg ist immer kompliziert. So gibt es Teilnehmerinnen, die ganz im kirchlichen Pazifismus verwurzelt sind und die darum jede Waffenhilfe für die bedrängte Ukraine ablehnen. Andere haben, so wie ich, seit Februar 2022 einen Lernprozess durchgemacht, der sie nun anders abwägen lässt. Viele sind mit der DDR-Friedensbewegung groß geworden und sind skeptisch gegenüber jedweder Beteiligung Deutschlands an militärischen Auseinandersetzungen.
Bei den Friedensgebeten trifft man dann aufeinander – ein spannungsreiches Gemisch! Vor allem wenn eigene Gebetsanliegen und Gedanken geäußert werden können, zeigt sich, wie verschieden die Perspektiven sind. Vom unpolitisch naiven Wunsch, nun sollten doch alle einfach mal an einem Tisch zusammenkommen und sich einigen bis hin zum Plädoyer für stärkere Unterstützung der Ukraine mit Waffen ist alles dabei. Bisweilen muss ich ganz tief durchatmen und an mich halten, um keine Diskussion vom Zaun zu brechen. Denn eigentlich bin ich ja der Ansicht, dass es – in einem bestimmten Spektrum – mehrere berechtigte Meinungen geben kann. In der Praxis fällt es mir dann doch schwer, das auszuhalten.
Irgendwie komme ich damit zurecht – aber für die Ukrainerinnen und Ukrainer, die zeitweise unser Friedensgebet besuchen, ist das schwerer. Wenn man existenziell betroffen ist, aber nicht alle Nuancen eines Statements versteht und sich selbst nicht gut artikulieren kann, ist eine solche Situation äußerst herausfordernd. Trotzdem halte ich es für sehr wichtig, dass es einen solchen Raum gibt, an dem verschiedene Ansichten nebeneinander ausgehalten werden können. Solche Räume brauchen wir in unserer Gesellschaft dringend.