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Der Himmel in Pfützen

Wort zum Tage, 31.07.2024

Andreas Brauns, Schellerten

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Vor kurzem habe ich mit einem Freund eine Radtour gemacht. Wir waren mehrere Tage unterwegs und uns sicher: Irgendwann wird es aus den schweren Wolken über uns in Strömen gießen. Hoffentlich finden wir dann eine Möglichkeit, uns unterzustellen.

Einmal hat es uns dann erwischt, aber wir hatten tatsächlich Glück, denn wir sind gerade auf ein Dorf zugefahren. Als wir nach dem ergiebigen Schauer wieder auf die Räder gestiegen sind, war in der Ferne am Himmel ein Regenbogen zu sehen und auf dem Boden waren überall große Pfützen. Als Kind bin ich da immer gern durchgefahren. Aber mit großen Taschen am Rad ist das eher nicht angebracht. Also ein Bogen um jede Pfütze. Auf dem holprigen Wirtschaftsweg habe ich beim aufmerksamen Fahren die Schönheit der Pfützen entdeckt. Denn in jeder Pfütze ist der Himmel zu sehen. Das sind wunderbare Bilder auf dem Boden. Der Himmel ist sozusagen auf der Erde, wenngleich es natürlich nur Spiegelbilder sind. Doch der Himmel ist ganz nah. Um das zu sehen, muss ich nicht nach oben schauen und mir den Hals verrenken, nein, der Blick geht nach vorn und dann leicht nach unten.

Und genau da ist etwas vom Himmel zu sehen, wenn ich genau hinschaue. Da ist die Professorin, die sich jede Woche in der Suppenküche engagiert und mit anderen Gemüse putzt oder Berge von Kartoffeln schält, und dann auch noch den Menschen zuhört, die sich über das Mittagessen freuen. Da sind Frauen und Männer, die jenen helfen, die ratlos vor Formularen sitzen, die sie unbedingt ausfüllen müssen. Und da ist der pensionierte Lehrer, der mit viel Geduld jungen und älteren Geflüchteten Mut macht, es Tag für Tag zu versuchen mit der deutschen Sprache.

Niemand von denen, die anderen helfen möchten, kann Wunder vollbringen, aber durch das eigene Tun können sie das Leben anderer verändern. Wie ein Engel eingreifen und so etwas vom Himmel auf die Erde holen.

Not sehen und handeln, nicht wegschauen. Das ist die Devise für viele, die sich engagieren für andere Menschen. Aber Not hat viele Gesichter. Und oft wird sie auch versteckt. Ich kann sie nur entdecken, wenn ich aufmerksam bin. Wer so Menschen begegnet, kann über sich selbst hinauswachsen: was bisher unmöglich schien, wird plötzlich möglich: Fremden ohne Vorbehalte zu begegnen, weil ich in ihnen Menschen sehe wie mich selbst.

Nur, weil sie einen anderen Pass oder einen anderen Glauben haben, sind sie nicht von einem anderen Stern. Sie sind nur aus einem anderen Land. Aber sie leben wie ich unter dem gleichen Himmel, der in den oft dreckigen Pfützen zu sehen ist. Ich werde mal versuchen, ein Foto zu machen von einer Pfütze, in der sich vor dem blauen Himmel Gesichter von ganz unterschiedlichen Menschen spiegeln, die einander zu Mitmenschen geworden sind. Und so ein Stück vom Himmel auf die Erde geholt haben.

Über den Autor Andreas Brauns

Andreas Brauns wurde 1962 geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei Töchtern. Nach dem Theologiestudium in Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau absolvierte er seinen Zivildienst in Hannover. Während dieser Zeit gab es erste Kontakte zur kirchlichen Rundfunkarbeit. Seit 1995 arbeitet er als Redakteur im "Katholischen Rundfunkreferat für den NDR". Zudem arbeitet er seit einigen Jahren auch als Beauftragter für Funk- und Fernsehen im Bistum Hildesheim. Ein Wort des Apostels Paulus im Römerbrief begleitete ihn seit dem Studium: "Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?"

Kontakt: andreas.brauns@bistum-hildesheim.de