Wer mit dem Auto in meinen Wohnort hineinfährt, sieht in der Mitte zwischen den Fahrspuren einen Grünstreifen, auf dem die Gräser inzwischen kniehoch stehen. Gemäht wurde hier offenbar schon länger nicht. Mein erster Gedanke, wenn ich sowas sehe, ist dann schon mal: "Na ja, da könnte auch mal wieder einer Ordnung schaffen." Vielleicht hat das Grünflächenamt der Stadt genau solche Kommentare erwartet und darum vorsorglich Schilder mitten in das wuchernde Grün gestellt. "Blühstreifen. Ökologisch wertvoll." steht da. Denn zwischen dem Gras wächst jede Menge Anderes: Klatschmohn und Klee, Margeriten, Kornblumen, Schafgarbe und noch vieles mehr. Und jetzt im Sommer, wenn etliche dieser Wiesenblumen in leuchtenden Farben blühen, sehen diese Streifen sogar wunderschön aus. Und vor allem: Sie sind ein gedeckter Tisch für Hummeln, Wildbienen und zig andere Insekten, die es in unseren penibel aufgeräumten Städten immer schwerer haben, genügend Nahrung zu finden.
Diese Blühstreifen, die auf den ersten Blick vielleicht ungepflegt erscheinen, können sogar nachdenklich machen. Zum Beispiel, wie bunt und vielfältig die Schöpfung wirklich ist. Mit menschlichen Augen betrachtet mag das manchmal ja wirr, chaotisch, total unordentlich erscheinen. Aber genau da, in diesem scheinbaren Chaos, da tobt offenbar das pralle Leben. In penibel angelegten Gärten und Äckern dagegen, in denen die Pflanzen ordentlich in Reih und Glied stehen, wo jeder unerwünschte Grashalm eliminiert wird, deutlich weniger. Und als Christ frage ich mich, was es bedeuten kann: Sich die Erde untertan zu machen. Denn so steht es auf den ersten Seiten der Bibel. Da wird erzählt, wie Gott die Welt erschaffen hat und ganz zum Schluss auch noch die Menschen macht. Sie mitten reinsetzt in seine so schöne wie chaotisch-bunte Schöpfung. Und sie mit dem Auftrag entlässt, sich diese Erde untertan zu machen. Das haben wir Menschen ja dann auch gemacht. Ziemlich gründlich sogar. Ich auch. Das fängt schon in meinem Garten hinterm Haus an. Denn auch den überlasse ich schließlich nicht einfach sich selbst, sondern lege Beete an. Pflanze hinein, was mir gefällt und so weiter. Mache mir also mein kleines, ganz privates Stückchen Erde untertan.
Was mir die uralte Schöpfungsgeschichte heute sicher nicht erzählen will: Dass die Welt in sieben Tagen entstanden ist. Was sie mir aber sagen kann: Dass es in dieser Welt, die ich als Christ die Schöpfung nenne, ein Prinzip gibt. Eines, das das Leben will und ihm Raum gibt. Und so bekommt das Wort vom "untertan-machen" eine tiefere Bedeutung. Nicht rücksichtslos meine Interessen durchzusetzen, sondern diese Schöpfung zu nutzen und zu bebauen und sie gleichzeitig dennoch zu bewahren.