In der Innenstadt begegnen mir die Schilder manchmal auf Schritt und Tritt, an Läden, Kiosken oder Imbissbuden: "Coffee to go", der schnelle Kaffee zum Mitnehmen im Pappbecher. Ich mache das eher selten. Zum einen, weil es ein großes Müllproblem ist, denn mehr als zweieinhalb Milliarden Kaffeebecher landen in Deutschland jedes Jahr in der Tonne. Vor allem aber, weil Kaffeetrinken für mich viel mit Genuss zu tun hat. Und der stellt sich mit einem Pappbecher auf dem Bahnsteig oder schlimmer noch, beim Laufen zum nächsten Termin, nicht wirklich ein.
Viel lieber sitze ich nämlich entspannt zurückgelehnt auf einem Stuhl, die Kaffeetasse in der Hand. Genieße die Wärme, den belebenden Duft des Kaffees und dazu diese paar Minuten Ruhe, die für mich etwas Sinnliches haben. Etwas, das den Körper und die Seele wärmt und die Gedanken schweifen lässt. Sicher, der Trend zum Zwischendurch, zum Fast-Food und dem schnellen Kaffee im Vorbeigehen passt in die Zeit. Passt zur immer weiteren Beschleunigung und Optimierung, zu dem Gefühl, dass eigentlich doch noch mehr möglich sein müsste.
Ein Trend übrigens, dem sich auch der Glaube schon lange nicht mehr entzieht. Da gibt es Fünf-Minuten-Andachten in Innenstadtkirchen für den gehetzten Großstadtmenschen. Es gibt kurze Bibelclips im Netz und auch unsere Worte morgens im Radio fügen sich ja ein ins getaktete Format der jeweiligen Hörfunkwellen. Häppchen, die aber auch Appetit machen wollen auf mehr. Vielleicht darauf, die Bibel tatsächlich mal in die Hand zu nehmen und darin zu stöbern. Nicht nur eine Fünf-Minuten-Andacht, sondern auch mal einen festlich gestalteten Gottesdienst in dieser Kirche zu besuchen, sich eine ganze Stunde lang tragen zu lassen von Musik und Gesang und von den Menschen um mich herum.
Für mich ist es mit dem Glauben wie mit einem wundervollen Essen. Auch das braucht schließlich Zeit und Hingabe. Zuerst für die Zubereitung und dann natürlich für den Genuss. Zeit, um zu riechen und zu schmecken. Und natürlich Zeit füreinander, fürs Reden und fürs Zuhören. Ähnlich ist es beim Glauben, denn auch für ihn brauche ich Zeit und Muße. Zeit, um in mich hineinzuhorchen. Wahrzunehmen, was mich gerade umtreibt und bewegt, um so vielleicht auch Spuren Gottes in meinem Leben zu entdecken. Und ich brauche Zeit, um nachzudenken. Zeit aber auch, die ich nicht immer habe.
Und darum ist es gut, dass es beides gibt. Den schnellen Kaffee auf dem Bahnsteig, der die Lebensgeister wieder weckt und mir Lust macht auf die genussvolle Tasse am Küchentisch. Und kleine Glaubensimpulse mitten im Alltag. Den "Glauben to go" sozusagen, der mir vielleicht einen neuen, ungeahnten Gedanken beschert und mir so auch Appetit machen kann auf mehr.