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„Freund“ im Wandel

Wort zum Tage, 31.01.2023

Andreas Hauber, Ellwangen

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Ein Freund von mir hat sich einer schweren Operation unterziehen müssen. Danach hat einige Tage lang alles auf der Kippe gestanden. Weil ich bevollmächtigt bin, in medizinischen Dingen an seiner Stelle Entscheidungen zu treffen - sollte er dazu nicht in der Lage sein -, war ich in engem Kontakt mit der Klinik. Und weil wegen der Coronabestimmungen ihn nur eine Person besuchen durfte, war ich sehr häufig bei ihm im Krankenhaus.

Wir kennen uns seit Kindertagen, haben keine Geheimnisse voreinander, verstehen uns blind. Wir sind eben Freunde. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass sich das Krankenpersonal schwer damit getan hat, mich einzuordnen. Mein Freund hatte mich als seinen Freund vorgestellt. Aber die Schwestern und Pfleger haben dieses Wort gemieden. Mal sagte jemand „Kumpel“, mal „Kamerad“, einmal jemand sogar „Kumpane“. Und niemand hat mir dabei in die Augen gesehen. Das hat mich gewundert.  Irgendwie haben sie sich mit dem Begriff Freund schwergetan. Und in einem Gespräch mit einer Krankenschwester ist es dann herausgekommen: Sie sind sich nicht sicher gewesen, ob wir beide ein Paar sind.

Als ich das meinem Freund erzählt habe, haben wir herzhaft gelacht. Offenbar hat sich die Bedeutung des Wortes Freund zwischen Männern verschoben. Freund scheint zunehmend als Partner in einer Liebesbeziehung verstanden zu werden. Nicht mehr als – eben Freund. Der Freund, der jeden zu Beuch Tag kommt, der Kontaktperson ist, der die Vollmacht hat. Das kann offenbar nur ein Lebenspartner sein. Und ich kann diese Unsicherheit auch verstehen und es war ja sicher auch nicht böse gemeint.

Irgendwie habe ich mich über dieses Erlebnis gefreut. Es zeigt, dass es normaler wird, dass es gleichgeschlechtliche Paare gibt. Die Bedeutung von „Freund“ verändert und erweitert sich. Man denkt manchmal sogar eher an eine Liebesbeziehung unter Männern als an klassische Freundschaft. Für meine schwulen und lesbischen Freunde und Bekannten, ist das, glaube ich, eine gute, oder zumindest eine erfreuliche Nachricht.

Allerdings, das ist mir auch aufgefallen, ist eine gleichgeschlechtliche Beziehung noch nicht so normal, dass sich jemand getraut hätte uns einfach zu fragen. Da scheint es noch eine Hemmschwelle zu geben. Auf jeden Fall, zeigt das Beispiel, dass sich gesellschaftliche Prozesse in der Sprache niederschlagen. Ich bin jedenfalls gerne bereit, meinen Freund „Kumpel“ zu nennen, wenn dafür schwule Männer ihren Lebens- und Liebespartner selbstverständlich und ohne schiefe Blicke „Freund“ nennen können.

Über den Autor Andreas Hauber

Es ist eine große Herausforderung über Gott zu sprechen. Ich denke, dass man ihn mit Worten nicht fassen kann, dass alle Begriffe abrutschen und ihr Ziel letztlich verfehlen. Sprechen über Gott kann nur eine Annäherung sein. Das versuche ich auch mit meinen Beiträgen: Mich ihm anzunähern. Ich speise meine Texte aus meinem Leben, aus dem was mir begegnet und was mich umtreibt. Das setze ich in Beziehung zu meinem Glauben.

Ich war immer neugierig, wollte immer so viele Facetten des Lebens wie möglich kennenlernen. Vielleicht ist das an meinem beruflichen Werdegang abzulesen. Ich bin gelernter Krankenpfleger, habe Theologie und Philosophie studiert, war 5 Jahre auf einer Berghütte, dann in der Flüchtlingsarbeit tätig, dann Betreuer für einen jungen Mann mit Handicap und noch manches mehr, derzeit arbeite ich auf dem Bau. Ich lebe wieder in Ellwangen, wo ich 1980 auch geboren wurde.